Stromausfall

Vor einigen Tagen, es war der 1. April, fiel in unserem Quartier in Kerzers abends plötzlich der Strom aus. Die Lampen flackerten nicht, wie sonst jeweils, nach ein bis zwei Minuten wieder auf, sondern blieben aus. Wie am Telefon eine Stunde später zu erfahren war, hatte der Notfalldienst unseres Energieversorgers die Ursache für den Stromausfall noch nicht gefunden, und bis auf weiteres war unklar, wie lange das Blackout dauern würde. Wir nahmen es als Beitrag der Natur zum 1. April und als Anlass, wieder einmal schön essen zu gehen, denn wir hatten wenig Lust auf kalte Küche.

Bei der Rückkehr in das mittlerweile stockdunkle Quartier, in dem hinter dem einen oder anderen Fenster Kerzen schimmerten, kam uns das nunmehr dreistündige Strom-Aus nun doch schon ziemlich lang vor. Zuhause angelangt, zündeten auch wir Kerzen an und fühlten uns ein wenig wie zu Goethes Zeiten. Da der Strom weiterhin ausblieb, hatten wir Zeit, uns so richtig bewusst zu werden, wie abhängig unser modernes Leben von jener unsichtbaren Kraft ist, die «aus der Steckdose kommt» und nun eben nicht mehr kam.

Ohne Strom gab es kein Licht, keinen warmen Herd, kein warmes Wasser mehr. Ohne Strom stand die Waschmaschine still, das Funktelefon war stumm und Fernsehen, Computer und Internet waren abgemeldet. Wir malten uns aus, wie es wäre, wenn der Strom gar nicht mehr wiederkommen würde. Eine Weile würden unsere batteriebetriebenen Uhren, Taschenlampen und Handys noch weiterlaufen… und dann irgendwann ebenfalls ihre Funktionen einstellen. Fast keines mehr von all den Geräten, auf die wir uns im Alltag selbstverständlich und gedankenlos verlassen, würde noch seinen Zweck erfüllen können. Wir würden auf archaischere Formen von Energie zurückgreifen müssen: auf das Feuer, um zu kochen und uns zu wärmen, auf die Kraft von Nutztieren, um die Arbeit zu verrichten und von Ort zu Ort zu gelangen… wie zu Goethes Zeiten eben.

Als nach 4 1/4 Stunden das Licht plötzlich wieder anging, spürten wir Erleichterung und auch Dankbarkeit. Das eindrucksvolle Erlebnis des Stromausfalls hatte uns bewusst gemacht, wie selbstverständlich wir vieles hinnehmen, so lange es «funktioniert», und es im Grunde erst richtig schätzen lernen, wenn es einmal ausfällt. Auch unser Atem ist eine solche Selbstverständlichkeit. Atemzug um Atemzug, Stunde um Stunde, Tag um Tag versorgt uns der Atem mit Sauerstoff und speist im Hintergrund alle unsere Lebensprozesse, von der Geburt bis zum Tod. Wir werden uns selten dieser körpereigenen, elementaren Lebenskraft bewusst, die uns mit Energie versorgt. Erst dann, wenn Atemprobleme auftauchen, wenn uns das Einatmen schwerfällt, auf der Brust ein Druck ist und es nicht mehr gelingt, bis hinunter in den Bauch zu atmen, wird uns der Atem plötzlich bewusst – und mit ihm auch all die anderen Körperfunktionen, die durch die verminderte Atemqualität nun ebenfalls beeinträchtigt werden. Es lohnt sich, unseren Atem bereits jetzt, noch bevor Gesundheitsprobleme auftreten, bewusst zu schätzen und zu pflegen!

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