Buchtipp: «achtsam sprechen, achtsam zuhören», von Thich Nhat Hanh

AchtsamSprechen

Wir haben  wohl alle schon einmal beides erlebt. Ein Gespräch kann zwischen Menschen einen direkten «Draht» der Verbundenheit, von Verstehen und Mitmenschlichkeit entstehen lassen – und andererseits ist es leider auch möglich, dass ein Gespräch zu Missverständnissen und Verletzungen führt und dadurch trennende Hürden zwischen Menschen errichtet werden. Dass Letzteres oft nicht einmal mit Absicht geschieht – sondern vor allem aus Unachtsamkeit – lässt ahnen, dass eine Praxis der Achtsamkeit nicht wenig zur Qualität unserer Kommunikation beitragen kann.

Gespräche sind Nahrung auf seelischer Ebene, sagt der vietnamesische Zen-Meister und Meditationslehrer Thich Nhat Hanh, und ebenso wie die physische Nahrung, die wir uns zuführen, für unseren Körper aufbauend oder gesundheitsschädigend sein kann, kann auch Kommunikation für uns nährend oder schädlich sein. In dem schmalen Bändchen «achtsam sprechen, achtsam zuhören» führt Thich Nhat Hanh seine Leser Schritt für Schritt in die Praxis achtsamer Kommunikation ein. Das Buch ist einfach und klar geschrieben und lässt bereits den Akt des Lesens zu einer wohltuenden Achtsamkeitsübung werden.

Achtsames Kommunizieren beginnt mit einer achtsamen Verbindung zu uns selbst, zu unserer eigenen Innenwelt. Bevor wir mit anderen in Verbindung sein können, müssen wir mit uns selbst in Verbindung kommen. Thich Nhat Hanh empfiehlt, dazu die Kraft achtsamen Atmens zu nutzen. Achtsames Einatmen und Ausatmen verbindet unseren Geist mit unserem Körper und es ermöglicht uns, bei uns selbst und in der Gegenwart anzukommen. Nun können wir damit beginnen, uns selbst aufmerksam «zuzuhören» – wahrzunehmen, was im eigenen Inneren vor sich geht.

Unter anderem werden wir das Leiden wahrnehmen, das in unserem Leben gegenwärtig ist. «Achtsamkeit lässt uns dem inneren Schmerz, dem Kummer zuhören», schreibt Thich Nhat Hanh. Und er empfiehlt, sich diesem eigenen Schmerz aufmerksam und mitfühlend zuzuwenden. Die Achtsamkeit, das Anwesendsein im gegenwärtigen Moment, schenkt uns dabei die nötige Kraft und Gelassenheit, um von den vielleicht schwierigen Gefühlen nicht überwältigt zu werden, sondern sie ruhig und klar wahrnehmen zu können. Indem wir uns den eigenen Gefühlen mitfühlend zuwenden, ohne uns zu bewerten oder zu verurteilen, entsteht die Grundlage, auf der wir mitfühlend mit anderen sein können, ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen. «Das Leiden zu verstehen, führt immer zu Mitgefühl», sagt Thich Nhat Hanh.

Der nächste Schritt achtsamen Kommunizierens ist es dann, dass wir uns darin üben, unseren Gesprächspartnern achtsam, mitfühlend und nicht wertend zuzuhören und – vielleicht besonders schwierig – sie dabei auch ausreden zu lassen. Auch hier ist die Grundlage das achtsame Atmen, das uns zu uns selbst, in die Ruhe und in die Gegenwart führt. Aus der Verbindung mit uns selbst und dem gegenwärtigen Moment erwächst die Gelassenheit, uns dem anderen Menschen voll und ganz zuzuwenden und ihm in Ruhe zuzuhören, ohne uns innerlich zu verlieren in Ungeduld, vorauseilenden Gedanken oder nachtragenden Urteilen.

Im achtsamen Zuhören wiederum entsteht die Grundlage achtsamen Sprechens. Dass das Üben des achtsamen Sprechens erst nach dem Zuhören «drankommt», hat seine Gründe, denn im Sprechen bieten sich uns die heikelsten Gelegenheiten, Verletzungen auszuteilen und Missverständnisse zu schaffen. Mit vielen anschaulichen Beispielen gibt Thich Nhat Hanh dem Leser eine Einführung in die buddhistische Lehre der vier Elemente der Rechten Rede und der sechs Mantras liebevollen Sprechens. Ein eigenes Kapitel ist der Frage gewidmet, wie wir mit Schwierigkeiten und Problemen umgehen können, wenn sie bereits eingetreten sind und die Lage vielleicht schon sehr verfahren wirkt. Weitere Kapitel behandeln achtsame Kommunikation am Arbeitsplatz und die weitreichenden – bisweilen weltweiten – sozialen Auswirkungen menschlicher Kommunikation.

Thich Nhat Hanh: achtsam sprechen, achtsam zuhören. Die Kunst der bewussten Kommunikation. O.W. Barth Verlag, 2014.

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