Mit «Anfängergeist» wird im Zen-Buddhismus eine innere Haltung beschrieben, die sich auf eine Erfahrung jedes Mal wieder so unvoreingenommen einlässt, als wäre sie vollkommen neu und als wüssten wir noch gar nichts darüber – auch wenn die Erfahrung bereits einmal (oder sogar mehrere Male) gemacht wurde und wir sie daher (scheinbar) bereits zu kennen glauben.
Es ist eine Haltung der Offenheit, der Bereitschaft, sich der Erfahrung zu öffnen, sich von ihr führen zu lassen und sich von ihr mit jedem Mal immer wieder etwas ganz und gar Neues zeigen zu lassen. Es ist eine Haltung der unvoreingenommenen Neugier, die im Hier und Jetzt wurzelt, sich dem aktuellen Moment ganz überlässt und in dem, was er schenken kann, den Dreh- und Angelpunkt gegenwärtigen Geschehens und zukünftigen Werdens berührt.
Ein wenig von der Haltung des «Anfängergeists» wohnt «natürlicherweise» jeder Jahreswende inne. Das alte Jahr liegt abgeschlossen hinter uns – in der Rückschau sehen wir es nochmals vorüberziehen: war es leicht zu leben und voller Fröhlichkeit? Gab es (auch) schwierige Zeiten, schlaflose Nächte, Kummer? Das alles ist nun vergangen. Das alte Jahr hat seine Türen geschlossen. Vor uns liegt ein neues Jahr, unbeschrieben wie ein frisches Blatt, gerade erst hat es begonnen. Vielleicht liegt draussen jetzt gerade frisch gefallener Schnee, in dem noch kein Mensch seine Fussspuren hinterlassen hat. Und auch wenn kein Schnee liegt – beginnen wir das Neue Jahr mit «Anfängergeist», denn alle Erfahrungen, die wir in diesem Jahr machen werden, sind noch vollkommen neu für uns.
«Anfängergeist» ist eine wunderbare Einstellung, um sich immer wieder neu dem eigenen Atem zuzuwenden. Die Erfahrungen, die wir mit unserem Atem machen, fallen von Tag zu Tag nie gleich aus. Auch wenn Sie eine Atemübung schon unzählige Male gemacht haben: mit der Haltung der Offenheit, des «Anfängergeistes» und des inneren Bereitseins für das, was sich zeigt, wird die Übung Ihnen auch beim fünfzehnten Mal noch etwas Neues, das Sie noch nicht erfahren haben, erschliessen können. Lassen Sie sich überraschen…
Ich wünsche den Leserinnen und Lesern meines «Atemblog» ein gutes, herz-erfrischendes Neues Jahr 2014 voller Entdeckungen und Staunen.